Am nächsten Morgen wollen wir so schnell wie möglich aus diesem Hotel verschwinden. Aber auch das ist noch zu spät für die Bediensteten, die vehement nach dem Zimmerschlüssel verlangen. Der Wille zu putzen ist also vorhanden. Nur der Wille zum guten Ergebnis fehlt.
Wir bezahlen und fahren nach San Jorge. Unsere Fähre soll um 10:00 Uhr abfahren. Doch es ist klar, dass sich die Ankunft um eine Stunde verzögert. Wir essen in der Nähe der Ablegestelle eine gute Pizza und warten.
Die Fähre kommt tatsächlich eine Stunde zu spät. Doch dann müssen die Passagiere und Fahrzeuge noch runter. So weit, so gut. Nur zwei Bananenlaster wollen gleichzeitig fahren und bringen mit ihrem ungünstig verlagerten Gewicht die Fähre in eine beunruhigende Schieflage.
Es dauert. Man wird sich nicht einig, diskutiert, als ob die Lösung des Problems nicht selbst verursacht ist. Wir stehen nun in der brennenden Sonne.
Als die Laster endlich die Fähre verlassen haben, geht der Stress erst richtig los. So etwas Unsinniges hat Seltenheitswert.
Man solle rückwärts auf die Fähre fahren und dabei zwei 10 Zentimeter hohe Bretter treffen. Wenn das Auto von diesen wieder herunter fährt klatschte es mit der hinteren Schürze auf die Rampe der Fähre. Wir sehen besagte Schürze bedenkliche Verbiegungen vollziehen und sehen sie schon abbrechen.
Während des gesamten Vorgangs wird größtmögliche Eile produziert, auf das Auto von allen Seiten eingetrommelt. Irgendwann habe ich genug und überlasse M. die Auffahrt.
Anschließend müssen alle aussteigen und das obere Deck aufsuchen. Einige Fahrer steigen aus den Fenstern aus, da es so eng ist. Im Ganzen erscheint dieser Vorgang als sinnvoll, denn die Fähren machen keinen vertrauensvollen Eindruck.
Ich stehe an der Seite der Fähre und werde während der Überfahrt komplett durchnässt. Mehr als einmal hebt sich mein Magen.
Es ist unglaublich eng und für einen See sind die Wellen enorm hoch. Einigen wird schlecht und sie übergeben sich. Nicht immer ins Wasser. Die Überfahrt dauert über eine Stunde, da nicht die kürzeste Strecke zum gegenüberliegenden Ufer gefahren wird. Moyogalpa liegt am Westrand der Insel.
Die Stadt ist sehr klein und schnell durchfahren. Wir haben noch 35 Kilometer vor uns. Zunächst ist die Straße gepflastert. Eine kurioser Umstand ist, dass sie quer über die Start- und Landebahn des geplanten Flughafens führt. Wenn später tatsächlich Flugzeuge kommen, werden Schranken an der Straße heruntergelassen.
Als wir bei einsetzender Dunkelheit am schmalsten Teil der Insel ankommen, fragen wir uns schon, warum wir vor den schlechten Straßen gewarnt wurden.
Doch dann eine Baustelle. Und danach: ein Felsenmeer. Wir zockeln voll beladen vorwärts. Die Stimmung sinkt. Ein Fahrradfahrer gibt Auskunft. dass es zum Merida 5 Kilometer sind. Wir sind nach 1 Stunde vielleicht 2 Kilometer weit gekommen. Die Stimmung ist am Tiefpunkt.
Wir raffen alles an Motivation zusammen was noch da ist und kämpfen uns weiter. Man kann nichts außerhalb der Reichweite der Scheinwerfer sehen.
Um 20.30 Uhr kommen wir in der Hacienda Merida an. Der Parkplatz ist verdächtig leer. Nur ein Fahrzeug, offenkundig ein Mietwagen steht darauf. Später erfahren wir, dass das Auto kaputt ist; es hat sich bei den Straßen einen Ölwannenleck zugezogen. In diesem Zusammenhang erfahren wir auch, dass die Gäste üblicherweise mit dem Schnellboot zur Hacienda kommen. Das dauert 20 Minuten von der Fähre. Uns wird ganz anders.
An der Rezeption hatte man unsere Reservierung übersehen. Nach 18 Emails die im Vorfeld hin und her gingen, führte keine dazu, die Reservierung in das Buch zu übertragen, dass über allem steht.
Ich entferne mich von der Diskussion, denn wenn es nichts ergeben würde, schlafe ich in der Hängematte. Diese ewigen Querelen über Reservierungen, Abzahlungen und Abmachungen gehen mir heute Abend nach der Anreise besonders auf den Zeiger.
Wieder heisst es improvisieren. Wir bekommen schließlich ein nettes Zimmer, D., C. und I. bekommen das daneben. M. und T. können spontan im nicht fertiggestellten Neubau übernachten. Dafür kostet dies dann nichts.
Wir sind gespannt wie die Umgebung bei Tageslicht aussehen wird.
Unsere Unterkunft ist keine 20 Meter vom Wasser entfernt. Die Bäume und Pflanzen stehen bis an den Wasserrand. Überall sind Tiere zu beobachten.
Das Frühstück ist sehr gut, vieles vegetarisch und frisch aus eigenem Anbau.
Nach dem Frühstück erkunden wir in Einzelgruppen die Gegend. Es tut gut nach der beschwerlichen Anreise allein zu sein.
So entdecken wir einen alten IFA-LKW mit völlig abgefahrenen Reifen, viele Haustiere wie Ziegen, Schweine und Hühner. Zwei Nicas treiben mit lautem Gebrüll eine Kuh die Straße entlang. Dass Kühe so schnell rennen können...
Und wir sehen unsere geliebten Kochbananen auf Transportern vorbeiziehen.
Von der Hacienda werden einige Touren angeboten. Die Besteigung eines Vulkans liegt uns fern. Dafür sind wir nicht ausgerüstet. Der Weg soll enorm matschig sein und es gibt viele Fotos von vielfältigen Verletzungen.
Wir wollen zum Wasserfall San Ramón wandern. Der Bruder vom Hotelbesitzer fährt uns zu seiner Hacienda. Er hat lange Zeit in den USA gelebt und seine Erfahrungen der Bewirtschaftung wie auch die bezüglich der touristischen Vermarktung mitgebracht. Es wird ein ausführliches und interessantes Gespräch mit einem Einheimischen. Sonst sind wir für weitergehende Gespräche auf Übersetzer angewiesen.
Unser Fahrer exportiert Zwiebeln, Möhren und Auberginen nach Kanada und scheint sehr zufrieden damit. Die riesigen Ländereien sind beeindruckend schön. Der kürzeste Weg zum Aufstieg zum Wasserfall ist von seiner Hacienda aus. Auch das lässt er sich mit einem kleinen Obulus vergüten.
Wir vereinbaren die Rückfahrt und machen uns auf den Weg. Zuerst ist es noch relativ trocken und heiß. Im Wald wird die Luft mit steigender Höhe immer drückender und feuchter.
Es geht über ein ausgetrocknetes Bachbett. Zum Teil ist es rutschig und man muss große Schritte machen und klettern. Wir werden von jungen Burschen überholt die über die Schulter geworfene Säcke mit Kies tragen. An einer Stelle sehen wir diese Säcke herumliegen und versuchen einen von ihnen zu bewegen. Es ist völlig ausgeschlossen, dass einer von uns solch einen Sack zu tragen vermag, geschweige denn bergauf über Felsen kletternd.
Wir sind mit unseren Rucksäcken bedient und von Kopf bis Fuß durchnässt. Nach einigen Motivationstiefpunkten kommen endlich alle am Wasserfall an.
In der Trockenzeit fällt nur wenig Wasser, aber dafür ist die Luft mit einem Schleier aus Wassertropfen angereichert. Hier ist es angenehm kühl und wir bleiben um die Leute zu beobachten.
Der Abstieg ist halb so schlimm. Wir werden von Amerikaner in Flipflops überholt. Das geht uns auf den Keks.
Wir werden wieder zur Hacienda Merida zurück gefahren. Am Nachmittag mieten wir uns Kajaks und fahren auf dem Nicaraguasee raus. Wir kommen an einer Affeninsel vorbei. Hier hat man als Attraktion einige Affen ausgesetzt, denen man das Futter per Boot rausfährt. Das scheint aber nicht zu reichen, denn wir werden inständig gewarnt näher an die Insel heranzufahren, da die Gesellen ins Boot springen können. Und dann klauen sie was geht.
Zur Dämmerung kamen wir wieder zurück. Es war einer der schönsten Tage auf der Reise.
Mental bereiten wir uns auf die Abreise vor. Alle denken an die Horrorstraße. In der Hacienda hat es uns sehr gefallen. Einziger Makel waren andere Gäste, die den ganzen Tag innerhalb der WLAN-Zone an ihren Abschlussarbeiten saßen und die Gegend hochmütig oder gleichgültig betrachteten. Die können bleiben wo der Pfeffer wächst, sind nur da weil es billig und öko ist. Blödes Hipvolk.
Die Straße sieht bei Tageslicht genauso schlimm aus wie Nachts. Zum Glück geht alles gut.
Wir kommen rechtzeitig zur Fähre. Dann kommt wieder der Hammer. Eine Reservierung auf uns gibt es nicht und es ist ausgeschlossen, dass wir mit der Fähre um 10 Uhr mitkommen. Nachdem die Kassiererin von T. in die Mangel genommen wird, kommt heraus, dass unsere Reservierung kurzerhand gestrichen wurde, zugunsten irgendeiner Inselprominenz, die ans Festland will.
Daraufhin platzte T. vollends der Kragen. Das hatte wenigstens zur Folge, dass wir mit auf die Fähre gequetscht wurden. Diesmal fuhr ich selbst und schnauzte zurück, wenn das Personal zum dritten Mal ankam um die Überfahrt abzukassieren. Tickets gibt es nicht und die Identifikation wer bezahlt hat und wer noch nicht, scheint sich auf das Schema: Rotes_Auto= nicht_bezahlt reduzieren zu lassen.
So fahren wir zurück nach San Jorge und wollen nach einem Abstecher in Granada weiter nach Matagalpa.